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Königs Kolumne

WS17: Der Schatz der Worte

Hätten Sie gewußt, dass der deutsche Wortschatz aus dem Lande Hannover stammt?

Das "Deutsche Wörterbuch" oder auch kurz "Der Grimm" genannt, ist das älteste komplette deutsche Belegwörterbuch. Das heißt, daß im Gegensatz zu einem normalen Rechtschreib-Duden auch Herkunft und bisherige Verwendung eines Wortes genauestens aufgelistet werden. Der Kurzname "Der Grimm" deutet bereits an, wer sich für dies Mammutprojekt verantwortlich zeichnet: Jacob und Wilhelm Grimm. Die beiden Brüder sind uns heute vor allem durch ihre gesammelten Märchen bekannt.

Sie begründeten zudem aber als Professoren an der Universität Göttingen die Sprachwissenschaft in der Germanistik, waren Mitglieder der Göttinger Sieben, die sich für eine demokratischere Verfassung im Königreich Hannover einsetzten, und erforschten zum ersten Mal die deutsche Sprache von ihren indogermanischen Ursprüngen bis zum heutigen, modernen Deutsch. Und sie sammelten, belegten und strukturierten zum ersten Mal die deutsche Sprache aus Vergangenheit und Moderne.

So entstand in jahrelanger Arbeit ein Werk, dessen Umfang die Grimms offensichtlich unterschätzt hatten: Wilhelm Grimm kam mit seinen Nachforschungen bis zu dem Buchstaben D, bis er im Jahr 1859 verstarb, sein Bruder Jacob verstarb über der Arbeit an dem Beitrag zum Begriff "Frucht".

Erst nachfolgende Sprachwissenschaftler konnten das Werk in jahrzehntelanger Arbeit vollenden. Schließlich, 123 Jahre nach Beginn des Werkes, komplettierte im Jahr 1961 der 32. und letzte Band das Wörterbuch; im Jahr 1971 erschien als 33. ein Quellenband.

Das Grimmsche Wörterbuch gilt bis heute als umfassendste und detailreichste Erfassung des deutschen Wortschatzes. Beim Lesen fällt einem schnell auf, daß den Grimms selbst die revolutionärste neue Rechtschreibung nicht revolutionär genug gewesen wäre: Sie halten sich in ihrem Wörterbuch strikt an die angelsächsische Kleinschreibung und machen aus dem "ß" ein "sz"; einschneidende Schritte in die Rechtschreibung, die selbst die radikalsten Studienräte in der Kultusministerkonferenz nicht gewagt hätten (selbst, wenn sie von den Brüdern Grimm und ihrem Wörterbuch schon einmal etwas gehört hätten).

Die Grimms nahmen alle anfänglichen Anfeindungen eher gelassen. Denn schließlich listeten sie nicht nur die schönen Wörter der deutschen Sprache auf, sondern ebenso auch neumodische Lehnwörter, umgangssprachliche Ausdrücke und zum ersten Mal überhaupt auch deftige Schimpfwörter. Die Grimms wollten eine erschöpfende Bibliothek schaffen, die über Jahrzehnte und Jahrhunderte Bestand haben sollte - und dies haben sie in der Tat auch geschafft.

Eher ein pikanter Zufall führte im Jahr 1837 zu der Idee zum "Deutschen Wörterbuch": König Ernst August stürzte eigenmächtig die Verfassung des Königreichs Hannover; sieben Göttinger Professoren, unter denen sich auch die Brüder Grimm befanden, veröffentlichten eine Streitschrift und wurden zur Strafe ihres Lehrstuhls behoben und des Landes verwiesen. Den Hauptteil ihrer Arbeitet leisteten die Grimms so in der Tat auch bereits in ihrem Exil in Berlin. Denn auch wenn König Ernst August die Verfassung nur wenige Jahre später fast wörtlich wieder einsetzte, so kehrten die beiden berühmten Germanisten nicht mehr in ihre Heimat zurück.

Jacob Grimm schrieb in dem Vorwort zum "Deutschen Wörterbuch": "Deutsche geliebte landsleute, welches reichs, welches glaubens ihr seiet, tretet ein in die euch allen aufgethane halle eurer angestammten, uralten sprache, lernet und heiligt sie und haltet an ihr, eure volkskraft und dauer hängt in ihr."

Grimm, Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Stuttgart: Hirzel 1999.

Gerstner, Hermann: Brüder Grimm. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.
Reinbek: Rowohlt 1973 (= Rowohlts-Monographien 201).

Jan König

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